Stellungnahme: CDU und FDP kündigen Bündnis gegen Rechtsextremismus auf

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Die Antifaschistische Bildungsinitiative e.V. (Antifa-BI) vertritt seit jeher die Strategie, breite Bündnisse gegen Rechtsextremismus zu bilden. Ein prägendes Ereignis für uns waren die Proteste gegen die NPD (heute „Die Heimat“) 2009, als eine Demonstration der NPD durch Friedberg dank einer friedlichen Blockade von mehr als 1000 Menschen, darunter auch CDU-Mitglieder, verhindert werden konnte.

Seitdem vertritt die Antifa-BI den Ansatz, mit allen demokratischen Parteien zusammenzuarbeiten unter dem Konsens „Keine Kooperation mit Rechtsextremen, Neonazis, Faschist*innen“.

 

Zäsuren erkennen, Schlüsse ziehen
Am 29. und 31. Januar 2025 fanden im Bundestag zwei Abstimmungen statt, bei denen dieser Konsens seitens der Bundestagsfraktionen der CDU/CSU und der FDP aufgekündigt wurde. Die Fraktion CDU/CSU hatte zwei Anträge eingebracht, über die abgestimmt werden sollte (ein Entschließungsantrag am 29.01., Drucksache 20/14698, und ein Gesetzesentwurf am 31.01., Drucksachen 20/12804 und 20/13648a). In einem beispiellosen Akt versuchten die Fraktionen CDU/CSU und FDP die Anträge trotz fehlender demokratischer Mehrheit unter Einbeziehung der extrem rechten AfD-Fraktion doch noch durchzusetzen, was auch teilweise gelang.

Die Antifa-BI erkennt die Zäsur, die nicht nur in der Zusammenarbeit von CDU/CSU, FDP und AfD begründet ist, sondern auch in den Antragsinhalten, über die sich diese drei Fraktionen einig waren, und zieht daraus Konsequenzen, die im Folgenden erörtert werden sollen.

 

Positionierung der Antifa-BI
Die Antifa-BI verfolgt gemäß Satzung antifaschistische, soziale & antirassistische Ziele. Der Verein steht dem Zweck nach im Geiste der Völker- und Kulturverständigung. Diese Zwecke gelten als gemeinnützig, der Allgemeinheit förderlich. Die beschriebenen Anträge der Fraktion CDU/CSU im Bundestag stehen diesen Zielen und Zwecken entgegen. Sie sind der Allgemeinheit schädlich. Durch diese von den Großteilen der Fraktionen CDU/CSU, FDP und BSW bezogene Position entgegen der Gemeinnützigkeit kann die Antifa-BI mit diesen Großteilen der Fraktionen CDU/CSU, FDP und BSW nicht (mehr) zusammenarbeiten.

Die Antifa-BI ist weiterhin gerne bereit mit jenen Teilen von CDU und FDP zusammen zu arbeiten, welche die extreme Rechte bekämpfen und nicht mit ihnen kooperieren möchten. Davon ist bei CDU und FDP im Grundsatz nicht mehr auszugehen.

Wir rufen unsere Mitglieder in CDU und FDP dazu auf – sofern sie als Antifaschist*innen in diesen Parteien kämpfen möchten – sich Beistand zu suchen. Sowohl bei dem CDU-Flügel um Angela Merkel, Michel Friedmann, Hendrik Wüst, Marco Wanderwitz und weiteren, als auch bei dem FDP-Flügel um Ulrich Lechte, Anikó Glogowski-Merten und weiteren, als auch bei der Antifa-BI können sie diesen finden.

Auch diesseits von CDU und FDP steht die Antifa-BI allen als Partnerin gegen Nazismus, Faschismus und Rechtsextremismus zur Seite. Wir werden weder diese noch eine andere zukünftige schwarz-gelb-blau-braune Politik geschehen lassen. Jetzt kann es nur heißen: Wir vergessen nicht! Alerta, Alerta, auf die Straßen!

 
Lesen Sie eine Kurzfassung.

 

Rechtsradikale Anträge
Die eingebrachten Anträge sind dem Inhalt nach rechtsradikal. Sie nutzen den Bezug auf die Gewalttaten Einzelner, um eine ganze Gruppe von Menschen (in diesem Fall Asylsuchende) unter Generalverdacht zu stellen. Entmenschlichende Formulierungen wie „massenhafte illegale Migration“ reduzieren Menschen auf ihren Aufenthaltsstatus, stellen Unwahrheiten als Tatsachen dar und schüren somit gezielt Ängste.

Asylsuchende seien im Kern gefährdend und deshalb müsse man sie loswerden und sie dürften erst gar nicht nach Deutschland kommen. Der Grundton ist, man müsse diesen „Typus“ von Mensch loswerden und das ist im Kern rassistisch.

Die geforderten Verschärfungen im Aufenthaltsrecht für Straftäter*innen gehen in dieselbe Richtung. Wenn für Straftäter*innen, abhängig von ihrem Aufenthaltsstatus, unterschiedliche Gesetze gelten, verstößt das gegen den demokratischen Grundsatz, dass vor dem Gesetz alle gleich sind.

Die Forderung nach „ausnahmsloser Zurückweisung“ und Einreiseverbot unabhängig von Schutzgesuchen, die Verweigerung des Rechts auf individuelle Asylprüfung, die pauschale Abschiebung in Krisengebiete wie Afghanistan und Syrien und die Forderung nach unbefristeter Inhaftierung von Ausreisepflichtigen verstoßen gegen nationales und internationales Recht. Sie verstoßen gegen die Genfer Flüchtlingskonvention, EU-Recht, Menschenrecht und Grundgesetz. Diese Anträge kommen nicht von der AfD oder der Partei „Die Heimat“ (früher NPD), sondern von der CDU!

Die Verachtung für die Gesetze kann man auch den Positionierungen der CDU-Vertreter*innen entnehmen. In einem Artikel der Zeit vom 29.01.2025 werden CDU-Vertreter*innen auf die Anträge angesprochen. Dort heißt es:

„Niemand, so fügte ein anderer Unionsmann am Telefon hinzu, könne die Ausreden mehr hören, wegen irgendeines „Scheiß-Gerichts“ gehe dies nicht, wegen des Europarechts oder wegen der Genfer Flüchtlingskonvention gehe jenes nicht.“[i]

Die CDU liebäugelt mit Populismus, greift die Justiz an und benutzt fremdenfeindliche Ressentiments. All diese Dinge kennt man auch von der AfD. Es ist rechtsradikal und es ist unredlich.

 

Drohende Radikalisierung durch Scheinlösung
Es wird durch Priorisierung und öffentlichkeitswirksame Darstellung so getan, als sei Migration das dringendste gesellschaftliche Problem unserer Zeit und dass sich die realen Probleme wie Wohnungsmangel, Inflation, Arbeitslosigkeit, Armut, die bankrotten Bildungs- , Verkehrs- und Gesundheitssysteme, etc. oder auch das Problem extremistischer Angriffe lösen würden, wenn nur abgeschoben werden würde.

Dabei sind Migration und Flucht nicht Ursache für die Probleme dieses Landes. Jedes Jahr verschwinden mehr sozial geförderte Wohnungen, als Migrant*innen kommen. Auch hat Migration auf den Mindestlohn genauso wenig Einfluss wie auf Steuergeschenke für Überreiche. Wenn Migration einen Einfluss auf die realen Probleme dieses Landes hat, dann einen positiven![ii]

Es liegt am Rassismus von AfD, Merz-CDU und Co., weshalb Migration und Flucht für sie so eine große Rolle spielen. Abschiebungen und eine möglichst regressive Migrationspolitik als Universallösungen zu verkaufen, ist nicht mehr als ein Rationalisierungsversuch für irrationale politische Ziele.

Wenn festgestellt wird, dass die realen Probleme gar nicht besser werden, obwohl die Migrationspolitik verschärft wurde, dann besteht die Gefahr in dem Fehlschluss, dass es nicht genug gewesen sei. Man brauche noch mehr von der falschen Medizin. Das führt zu immer radikaleren Maßnahmen.

Deutschland beschreitet diesen Weg bereits. Schon heute wird in Kriegs- und Krisengebiete abgeschoben, bereits heute erhalten Geflüchtete kaum mehr Unterstützung und erfahren Gängelungen und willkürliche Repression z.B. durch Bargeldentzug per Bezahlkarte. Keines der realen Probleme ist dadurch besser geworden, dass wir Geflüchtete möglichst schlecht behandeln.

Auch Grüne und SPD haben sich an diesem Prozess in der Vergangenheit beteiligt und sind daher nicht frei von Schuld.

Die CDU unter Friedrich Merz aber geht diesen Weg gerade weiter.

 

Die Kooperation mit der AfD
Formal distanziert sich die CDU von der AfD, dem Inhalt nach macht sie die gleiche rechtsradikale Politik. Und das fällt auch der AfD selber auf. So sagte der AfD Bundestagsabgeordnete Bernd Baumann am 29.01.2025 im Bundestag:

„Seit wir im Parlament sind, als AfD, fordern wir eine strikte Wende in der Migrationspolitik. […] Die Union hat all diese Punkte immer strikt abgelehnt. […] Heute legt sie plötzlich diese […] Forderung selbst zur Abstimmung vor. […] Wir stimmen all diesen Punkten zu, denn es sind und waren ja schon immer unsere Punkte. […]

Jetzt und hier beginnt eine neue Epoche. Jetzt beginnt was Neues. Und das führen wir an. Das führen die neuen Kräfte an. Das sind die Kräfte von der AfD. Sie können folgen, Herr Merz, […]“

Auch ohne den Redebeitrag von AfD-Mann Baumann war im Vorfeld klar, dass die AfD den Anträgen zustimmen würde. Ebenso klar war aber auch, dass Grüne und SPD wegen der Rechtswidrigkeit der Anträge auf gar keinen Fall zustimmen würden.

Die CDU kannte die Grenzen von SPD und Grünen sehr genau, denn nach dem Messeranschlag von Solingen vom 23.08.2024 hatten CDU/CSU, Grüne, SPD und FDP bereits Gespräche über eine noch einschränkendere Asylpolitik geführt. CDU-Chef Merz hatte die Gespräche am 10.09.2024 abgebrochen, nachdem SPD und Grüne nicht bereit waren, Europarecht auszusetzen.[iii]

Um diese Grenze wissend, wurden von der CDU Anträge eingebracht, die europarechtswidrig sind und damit jenseits dieser Grenze liegen; bei denen also klar war, das SPD und Grüne nicht zustimmen würden und bei denen auch klar war, dass die AfD zustimmen würde.

Die Entscheidung, diese Anträge in dieser Form einzubringen, war die Entscheidung, mit der AfD zu kooperieren.

Mit der Abstimmung über den Entschließungsantrag am 29.01.2025, welcher mit den Stimmen von CDU/CSU, FDP und AfD beschlossen wurde, wurde diese Einschätzung bestätigt. Darum wissend, dass SPD und Grüne auch am 31.01.2025 nicht für ein rechtswidriges Gesetz stimmen würden, nachdem sie am 29.01.2025 schon nicht für einen gesetzwidrigen Entschließungsantrag gestimmt hatten, versuchte Friedrich Merz die Verantwortung auf SPD und Grüne abzuwälzen. Die Aussage legt auch Zeugnis darüber ab, wie viel Wert Friedrich Merz auf gemeinsame Mehrheiten unter den demokratischen Parteien im Parlament legt. So sagte er am 29.01.2025 im Bundestag:

„Wenn Sie so viel Wert darauf legen, dass in der demokratischen Mitte dieses Parlaments gemeinsame Mehrheiten zustande kommen, dann fordere ich Sie auf bis Freitag mit uns darüber zu sprechen, wie wir mit Ihnen zusammen eine Mehrheit zu dem von uns eingebrachten Gesetzesentwurf hier im deutschen Bundestag erzielen.“

Diese Kooperation mit der AfD geschah wissentlich, willentlich, vorsätzlich, wiederholt und vor allem inhaltlich.

Diese CDU und diese FDP haben deutlich gemacht, dass sie keine Partner*innen im Kampf gegen Faschismus, Nazismus und Rechtsextremismus sind. Im Gegenteil sind sie nicht nur bereit, zur Durchsetzung ihrer Machtinteressen mit Faschist*innen zu kooperieren, sondern vertreten zum Teil dieselben Positionen wie diese. Das breite Bündnis, welches die Antifa-BI im Rahmen ihrer Strategie sucht, wurde von dieser CDU und dieser FDP aufgekündigt.

 

Bezug zur Wetterau
Unter den Abgeordneten, welche zusammen mit der AfD die gemeinsamen, rechtsradikalen Interessen durchsetzten, war auch der Bad Nauheimer FDP-Abgeordnete Peter Heidt, Obmann im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe.[iv] Nach der ersten Abstimmung am 29.01. gab Heidt der Frankfurter neuen Presse ein Interview, bei dem er auf die Kooperation mit der AfD angesprochen wurde. Heidt sagte, es habe die Kooperation mit der AfD aufgrund der anstehenden Neuwahl nicht gebraucht, sie sei aber auch kein Dammbruch und überdies ein einmaliges Ereignis. Dennoch wolle er (Stand 30.01.2025) auch dem Gesetzesentwurf zustimmen, wenn die CDU diesen einbrächte[v].

Am Tag drauf, am 31.01., stimmte Heidt wie angekündigt erneut zusammen mit der AfD für einen rechtsradikalen Antrag.

Peter Heidt hat in der Vergangenheit auch mit der Antifa-BI zusammengearbeitet. Wir nehmen seine jüngste formale und inhaltliche Kooperation mit der AfD und die damit verbundene Aufkündigung des gemeinsamen antifaschistischen Konsens seinerseits zur Kenntnis.

Der Wetterauer CDU-Bundestagskandidat Thomas Pauls veröffentlichte am 02.02.2025 auf Instagram ein Statement, in dem er die Kooperation mit der AfD im Bundestag leugnet. In dem Statement beteuert er, es werde „keine Zusammenarbeit mit der AfD geben“, und ignoriert, dass eine formale und inhaltliche Kooperation mit der AfD überhaupt erst den Anlass für sein Statement gab.

Herr Pauls vertritt gleichsam mit dem Statement den rechtsradikalen Inhalt der Anträge, wenn er schreibt, eine „richtige Entscheidung“ werde „nicht dadurch falsch, dass die Falschen zustimmen“.

 

Wir werden weder diese, noch eine andere zukünftige schwarz-gelb-blau-braune Politik geschehen lassen. Jetzt kann es nur heißen: Wir vergessen nicht! Alerta, Alerta, auf die Straßen!

[i] https://www.zeit.de/2025/05/asylpolitik-cdu-friedrich-merz-afd-demokratie

[ii]https://www.diw.de/de/diw_01.c.935931.de/publikationen/diw_aktuell/2025_0105/deutschland_braucht_eine_nachhaltige_und_effektive_migrations-_und_integrationspolitik.html

[iii] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/migration-ampel-und-union-finden-keine-einigung-a-2ae7161b-4f94-4997-84c8-080ffec99166

[iv] https://www.bundestag.de/abgeordnete/biografien/H/heidt_peter-857476

[v] https://www.fnp.de/lokales/wetteraukreis/friedberg/peter-heidt-stimmt-fuer-merz-antrag-sieht-aber-keinen-dammbruch-93545251.html